Die wichtigsten Leserfragen am Expertentelefon \"Herzinfarkt\" am 15.05.2014
- Dr. med. Peter Bosiljanoff, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Nuklearmedizin in einer Gemeinschaftspraxis in München: Das individuelle Zusammenwirken von genetischen Faktoren und beeinflussbaren Risikofaktoren macht das Ergebnis aus. Es gibt auch sehr alte Kettenraucher, die den bekannten Komplikationen bis ins neunte Lebensjahrzehnt ausweichen können. Das ist aber nicht der Normalfall. Insofern sollte den Risikoeinschätzungen und den daraus abzuleitenden ärztlichen Empfehlungen Folge geleistet werden.
Ich habe mein Cholesterin bestimmen lassen, aber so richtig verstehe ich die ganzen Werte nicht. Was bedeuten LDL, HDL und Triglyzeride?
- Dr. Bosiljanoff: LDL und HDL sind Abkürzungen für die in den Körperzellen – vor allem in der Leber – gebildeten sogenannten Lipoproteine. Das sind relativ große Transportkörper mit Hunderten von Molekülen wie Proteinen, Enzymen und Vitaminen, die eben auch Cholesterin und Triglyzeride enthalten. Diese Transportkörper gibt es in verschiedener Form, etwa als LDL (Low Density Lipoprotein) und HDL (High Density Lipoprotein). Die Triglyzeride (Neutralfette) selbst sind Fettkörper, die aus Glycerin und drei angehafteten Fettsäuren bestehen. LDL-Cholesterin ist im Übermaß schädlich und wird daher häufig als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet, während HDL-Cholesterin eher positive Effekte hat.
Meine Mutter bekommt seit einiger Zeit ein Statin gegen ihren zu hohen Cholesterinspiegel, das sie aber schlecht verträgt. Gibt es Alternativen?
- Dr. med. Holger Leitolf, Facharzt für Innere Medizin, Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie sowie Leiter der Lipidambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover: Hier müsste man zunächst genau überprüfen, welches Statin in welcher Dosis nicht vertragen wird. Die sehr seltenen, aber möglichen Nebenwirkungen sind von Patient zu Patient verschieden und sowohl präparat- als auch dosisabhängig. Oft ist durch eine Verringerung der Dosis, einen Wechsel auf ein anderes Statin oder den Einsatz von Kombinationspräparaten eine verträgliche Therapie möglich. Bei Unverträglichkeit gegen alle verfügbaren Statine können Medikamente sinnvoll sein, die die Cholesterinaufnahme aus dem Darm beeinflussen und so eine Absenkung des Cholesterinspiegels bewirken.
Ich bin weiblich, 46, normalgewichtig und lebe gesund. Trotzdem ist mein Cholesterin zu hoch. Kann das sein, und muss ich nun Medikamente nehmen?
- Dr. Leitolf: Die Höhe der Cholesterinwerte hängt nur zum Teil von der Zufuhr über die Nahrung ab und wird überwiegend von der körpereigenen Cholesterinproduktion in der Leber bestimmt. Daher können auch normalgewichtige Patienten mit völlig tadelloser Ernährung erhöhte Cholesterinwerte haben. Ab einer bestimmten Höhe sollte man bei solchen Menschen prüfen, ob eine erblich bedingte Fettstoffwechselstörung (familiäre Hypercholesterinämie) vorliegt. Dann ist eine Behandlung notwendig, um spätere Gefäßschäden zu vermeiden.
Mein Mann ist Diabetiker und seine Zuckerwerte sind gut eingestellt. Hat er trotzdem ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko?
- Dr. Leitolf: Diabetiker haben ein deutlich erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko, das nicht nur vom Zuckerstoffwechsel abhängt. Mindestens genauso bedeutsam ist eine sorgfältige Behandlung der Cholesterinwerte und eines eventuell erhöhten Blutdrucks. Auf das Rauchen muss unbedingt verzichtet werden. Falls ein Übergewicht besteht, sollte auch der Versuch unternommen werden, dieses abzubauen. Das erhöhte Herz-Kreislauf-Risiko eines Diabetikers kann nur durch eine gleichzeitige Beachtung und gegebenenfalls Behandlung aller Risikofaktoren verringert werden.
Meine Cholesterinwerte lassen sich trotz gesunder Ernährung und Medikamenten nicht weit genug senken. Jetzt soll ich eine Kombitherapie bekommen. Was bedeutet das, und muss ich Nebenwirkungen befürchten?
- PD Dr. med. Friedhelm Späh, Facharzt für innere Medizin und Kardiologie, Leitender Oberarzt in der Abteilung für Kardiologie des Helios Klinikums Krefeld: Das schädliche LDL-Cholesterin im Körper wird zu etwa einem Drittel aus der Nahrung aufgenommen, aber zu zwei Dritteln im Körper selbst produziert, vor allem in der Leber. Durch die cholesterinsenkenden Statine wird die körpereigene Cholesterinproduktion reduziert. Als Folge nimmt die Cholesterinaufnahme aus dem Darm zu. Hier kann eine Kombitherapie, beispielsweise mit einem sogenannten Cholesterinaufnahmehemmer ansetzen. Damit gelingt es oftmals, den LDL-Cholesterinspiegel stärker zu senken als mit einem Statin alleine.
Ich bin 67 und Risikopatient. Mein Arzt sagt, ich soll Sport treiben. Ist es denn nicht gefährlich für mein Herz, wenn ich mich zu sehr anstrenge?
- Dr. Späh: Gerade bei über 65-Jährigen führt regelmäßige körperliche Aktivität zu einer beachtlichen, über 30-prozentigen Abnahme der Sterblichkeit. Die beste Wirkung bei erhöhtem Blutdruck, erhöhtem Blutzucker oder Cholesterin hatte bei untrainierten Menschen nicht Leistungssport, sondern moderate körperliche Aktivität. Also tägliches Treppen steigen statt Aufzug fahren; weniger sitzen; mehrfach in der Woche Ausdauertraining wie Wandern, Radfahren oder Schwimmen, dazu vielleicht Tennis oder Golf, aber auch dosiertes Krafttraining und Dehnungsübungen. Nach und nach verbessert sich die Lebensqualität: durch eine bessere Belastbarkeit, höhere körperliche Fitness, mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden.
Für eine herzgesunde Ernährung wird immer Fisch empfohlen. Den mag ich aber überhaupt nicht. Was kann ich denn stattdessen essen?
- Dr. Späh: Fisch wie Lachs, Makrele und Thunfisch ist eine wichtige Quelle für Jod und Vitamin D, aber vor allem für Omega-3-Fettsäuren, die vom menschlichen Organismus nicht selbst hergestellt werden können. Doch auch bestimmte Pflanzenöle wie Sojaöl, Rapsöl oder Walnussöl enthalten viele Omega-3-Fettsäuren. Auch Brokkoli ist ein guter Lieferant. Es genügt, zwei- bis dreimal pro Woche einen großen Salat mit Walnussöl oder Brokkoli in den Speiseplan einzufügen. Eine weitere Möglichkeit ist die Einnahme von Lachsölkapseln, die in der Regel ein Gramm Omega-3-Fettsäuren enthalten - einen ausreichenden Tagesbedarf. Jod und Vitamin D können bei Bedarf ebenfalls durch Tabletten ergänzt werden.
Mein Sohn ist Mitte 40, beruflich sehr erfolgreich, aber ständig im Stress und kommt nie zur Ruhe. Ist sein Herz in Gefahr, und was kann man dagegen tun?
- Dr. med. Tobias Wiesner, Facharzt für Innere Medizin, Internist am MVZ Stoffwechselmedizin Leipzig: In den letzten Jahren sind etliche Studien veröffentlicht worden, die zeigen, dass Stress zu ganz erheblichen Komplikationen am Herzen führen kann. Inzwischen wird angenommen, dass er einer der größten Risikofaktoren für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Leider lassen sich die Ursachen von Stress nicht immer beheben, jedoch sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, ihn zu minimieren, zum Beispiel durch Sport. Bereits 30 bis 60 Minuten Training können zu einer deutlichen Entspannung führen und auch den Schlaf positiv beeinflussen. Die wenigen Entspannungszeiten sollten außerdem nicht mit Fernsehen verbracht werden. Medikamente, die beruhigen oder Stressgefühle unterdrücken, sind nicht optimal und haben häufig nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Stattdessen sollte man es lieber mit Entspannungstechniken versuchen.
Ich möchte möglichst gesund leben und auch auf meine Cholesterinwerte achten. Aber woher weiß ich, welcher Wert für mich richtig ist?
- Dr. Wiesner: Ein guter Ansprechpartner ist immer der Hausarzt. Er kennt nicht nur Ihre Cholesterinwerte, sondern weiß auch, welche weiteren Erkrankungen bei Ihnen vorliegen. Denn wie hoch das LDL-Cholesterin sein darf, hängt von Ihrem individuellen Risikoprofil ab. Der Hausarzt und bei kritischen Werten gegebenenfalls auch ein Fettstoffwechselspezialist können dann den individuellen Zielwert aufgrund von Leitlinien und mit Hilfe von Risikokalkulatoren mit dem Patienten festlegen.
Seit einiger Zeit bekomme ich (51) Medikamente wegen meines zu hohen Cholesterinspiegels. Muss ich die nun ein Leben lang nehmen?
- Dr. Wiesner: Medikamente zur Senkung eines hohen Cholesterinspiegels werden immer dann eingesetzt, wenn ein Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vorliegt. Gerade bei jüngeren Patienten wie einem Mittfünfziger müssen Schlaganfall und Herzinfarkt vermieden werden. Im weiteren Verlauf des Lebens ist vom Hausarzt immer wieder eine kritische Risiko-Nutzen-Analyse durchzuführen. Dann muss ganz pragmatisch entschieden werden, ob die Therapie aufgrund anderer Zielwerte, die im Alter häufig eine Rolle spielen, noch notwendig ist.
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